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EGMR: Aufrüttelndes Urteil zu Sex-Sklaverei in Europa

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Sklavenhaltung existiert, hier und heute und mitten unter uns. Tausende von Menschen, die meisten junge Frauen, werden unter grauenhaften Bedingungen in Unfreiheit gehalten, vergewaltigt, geschlagen, ermordet. Irgendwie wissen wir das alle. Gelegentlich lesen wir eine aufwühlende Reportage dazu, oder es kommt etwas dazu im Fernsehen. Dann machen wir ein trauriges Gesicht und schütteln den Kopf über die Schlechtigkeit der Welt und blättern weiter zum Sport.

Das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Sachen Sex-Sklavenhaltung wurde jedenfalls bislang, soweit ich sehe,  in den deutschen Medien komplett ignoriert.

In dem Fall hatte der Vater einer jungen Russin Zypern verklagt, weil seine Tochter dort auf der Flucht vor ihren Zuhältern/Sklavenhaltern zu Tode gekommen war: Sie war beim Versuch, sich mit Bettlaken vom Balkon abzuseilen, abgestürzt. Besonders grausig an dem Fall ist, dass die zypriotische Polizei sich offenbar einen Dreck dafür interessierte, der jungen Frau zu helfen und ihre Peiniger an ihrem Tun zu hindern – mehr noch, der Sklavenhalter konnten auf die aktive Hilfe der Polizei zählen: Nach einem ersten Fluchtversuch lieferte die Polizei die Frau ihrem Zuhälter wieder aus wie ein entlaufenes Stück Vieh.

Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden.

besagt Art. 4 I der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das Verbot, das stellt der EGMR unmissverständlich fest, bezieht sich auch auf die moderne Form des Menschenhandels:

The Court considers that trafficking in human beings, by its very nature and aim of exploitation, is based on the exercise of powers attaching to the right of ownership. It treats human beings as commodities to be bought and sold and put to forced labour, often for little or no payment, usually in the sex industry but also elsewhere (…). It implies close surveillance of the activities of victims, whose movements are often circumscribed (…). It involves the use of violence and threats against victims, who live and work under poor conditions…

Artikel 4, so der EGMR, verbietet nicht nur die Sklaverei selbst, sondern verpflichtet die Signatarstaaten auch, die Opfer zu schützen und jedem Verdacht auf Sklavenhaltung nachzugehen. Außerdem verpflichtet sie die Staaten, wenn nötig bei der Bekämpfung des Menschenhandels zusammenzuarbeiten.

Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Menschenhandel wird in vielen Staaten immer noch in erster Linie als ein Immigrationsproblem und nicht als ein Sklavereiproblem wahrgenommen. Rechtssituation und Behördenpraxis sind darauf ausgerichtet, den Aufenthalt von illegalen Ausländern zu minimieren – und genau das spielt den Sklavenhaltern häufig in die Hände, wie das zypriotische Beispiel zeigt:

Measures which encourage cabaret owners and managers to track down missing artistes or in some other way to take personal responsibility for the conduct of artistes are unacceptable in the broader context of trafficking concerns regarding artistes in Cyprus. Against this backdrop, the Court considers that the practice of requiring cabaret owners and managers to lodge a bank guarantee to cover potential future costs associated with artistes which they have employed (…) particularly troubling.

Dank an den EGHR Blog für den Hinweis.

Update: Jetzt auch im JURIST-Blog und im ILProf-Blog

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